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    9.3

Wie es zu dieser Homepage kam

Die Textsammlung Kinderlyrik der DDR 5.2 ist die Keimzelle der Homepage. Es gibt bis heute kein Pendant auf dem Buchmarkt. In meiner Laudatio zum Deutschen Jugendliteraturpreis 1990 habe ich für die Anerkennung der kulturellen Leistungen der DDR geworben:

Am Tage nach den Jubelfeiern sehe ich auf der Buchmesse die Koje, tatsächlich eine 2 x 2 m Koje des Kinderbuchverlags: Gestern ein Großunternehmen, heute am Rande des Ruins, im Schatten der chrom- und lichterglänzenden Westverlage. Ob die DDR ein Leseland war oder es nur gern gewesen wäre – heute jedenfalls bahnt sich ein kultureller Kahlschlag gigantischen Ausmaßes an. Warum die AutorInnen sich nicht sehen lassen in Frankfurt wollte ich wissen. "Sie trauen sich nicht" – und ich füge hinzu: neben ihre selbstbewussten KollegInnen zu treten, die gelernt haben, dass sie auf dem Markt präsent sein müssen. Eine tiefe Depression hat sie erfasst, wie Benno Pludra, der mir sagte: "Ich weiß nicht mehr, was und für wen ich schreiben soll. Ich bin wie gelähmt." Weitgehend begegnet man ihnen mit großen Berührungsängsten, nicht mit offenen Armen wie auf den Bahnsteigen vor laufenden Kameras im letzten Herbst: man kennt sie nicht, und eine undifferenzierte Propaganda hat sie samt und sonders zu parteihörigen Lobrednern gemacht, zu drittrangigen Schreiberlingen."

 

Dann mein Appell an die "Verlegerinnen und Buchhändlerinnen, Bibliothekarinnen und Lehrerinnen, Kritikerinnen und Leserinnen (und die geringere Zahl der Männer) … , den KinderbuchautorInnen die gebührende Anerkennung für ihre Leistungen nicht zu versagen. Nicht die Frage nach dem Trennenden wird dabei weiterhelfen, sondern die Förderung jener AutorInnen und jener Werke, die auch in der BRD preisgekrönt worden wären, die nicht nur deswegen schlechter sind, weil sie in dem Land der Verlierer lebten.(JuLit Informationen 4/90,S.12 f.)

Drei Jahre später wurde ein Sonderpreis "Kinderlyrik" ausgeschrieben; in der Jury mit Ute Andresen und Kurt Franz waren wir uns sofort einig, dass er Josef Guggenmos verliehen werden sollte. Mein Vorschlag, die Juryhonorare für die Förderung eines DDR-Lyrikers zu verwenden, fand ein geteiltes Echo. Deshalb begann meine Suche nach kompetenten MitarbeiterInnen aus der ehemaligen DDR und vor allem nach einem Verlag bzw. Sponsoren für die Druckkostenzuschüsse, um eine repräsentative Anthologie zu veröffentlichen. Kein Verleger versprach sich interessierte KäuferInnen, und so entstand die Idee, die mit Claudia Rouvel und Steffen Peltsch entwickelte Sammlung ins Internet zu stellen. Das hatte den großen Vorteil, dass die Texte mit den wichtigen Illustrationen publiziert werden konnten. Das hohe Niveau der Buchillustration in der DDR ist bis heute weitgehend unbekannt. Erst über zwanzig Jahre nach der Wende erschien die Anthologie in der ersten Fassung der Homepage. Sie hat natürlich nicht die Aufmerksamkeit gefunden wie eine Buchpublikation; dafür ist sie bis heute die einzige Sammlung geblieben, die einen Einblick in 40 Jahre Kinderlyrik der DDR gewährt. Nach der Wende wurden nicht nur Betriebe geschlossen, weil sie nicht rentabel produzierten, sondern die gesamte Kultur brach zusammen; containerweise wurde aus Buchhandlungen und Bibliotheken "minderwertige" Literatur entsorgt. Undifferenziert, ohne genaue Kenntnis der Texte, wurde alles abgelehnt, nur weil es aus der DDR kam. Auch das Urteil über die DDR-Kinderlyrik war weitgehend negativ. Natürlich muss eingeräumt werden, dass Gedichte entstanden, die heute nur noch von historischem Interesse sind, weil der Propaganda der Staatsdoktrin dienten. Aber die heutigen Eltern und Großeltern wurden mit ihnen sozialisiert. Man muss sie kennen, nicht um die Vergangenheit zu verstehen, sondern auch die Gegenwart. Die Textsammlung sollte kein geschöntes Bild vermitteln, sondern auch Beispiele der staatstragenden AutorInnen zeigen sowie die Tradition der Weimarer Republik.

 

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