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    4.5 Rezension (2020.1) zu: Bette Westera, Sylvia Weve: Was macht das Licht, wenn es dunkel ist? Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf.- München: Rieder (2019) in:
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36 Gedichte über philosophische Kategorien, über Raum und Zeit. Von Kindern gefragt und für Kinder beantwortet. Unklar, warum als Hashtag gezählt. Ein großformatiges Buch, mit opulent in verschiedenen Techniken illustriert.

 

Rezension

 

Zum Glück wagt sich ein Kleinverlag an Kindergedichte; die großen haben längst aufgegeben. Die Coverwerbung bezieht sich auf einen anderen Titel des Teams Westera / Weve. Worüber sich Harald Weinrich (Knappe Zeit 2004) und Rüdiger Safranski (Zeit2015) über hunderte von Seiten den Kopf zerbrechen, das wollen auch Kinder wissen. Ein großer und schwieriger Versuch, die Welträtsel Kindernaufzuzeigen und womöglich zu erklären in verständlicher Sprache darzustellen und zu illustrieren! Da muss man sich ihnen konkret zuwenden und nicht abgehoben und abstraktwie das Motto befürchten lässt, dem der Untertitel "Fragen, die nach einem Vers verlangen" entnommen ist. Zum Thema "Zeit" etwa stellen Kinder ein ganzes Bündel von Fragen: "Kann die Zeit wirklich fliegen? (# 14) "An Sturmtagen / fliegt die Zeit / dir um die Ohren // An Wurmtagen / nagt die Zeit / steht still" oder "Wie schlägt man die Zeit tot?" (#24) oder "Wie wäre es, wenn es die Zeit nicht gäbe? (# 10) usw. Ob Stunden immer gleich lang sind (# 19) oder warum man die Tasten an der "Super-Zeitmaschine" lieber nicht bedienen sollte (# 20), obwohl Galileo Galilei es auch mal probiert hat: eine Fülle von Ideen und komischen Einfällen. Wo ist die Stunde bei der Zeitumstellung geblieben? (# 22) Nur der letzte Text ist eine Antwort und keine Frage; er bezieht sich auf das erste Gedicht "War die Erde früher flach? Wieder wird Galilei genannt, dieses Mal seine Auseinandersetzung mit dem Papst. Im Dialog mit dem zuhörenden oder lesenden Kind wird das Problem diskutiert. Die Fragen stellen wohl schon Kleinkinder, sie vor allem, die Antworten richten sich eher an die älteren – und an die schmunzelnden Erwachsenen natürlich. Bei dem Problem der Identität, "Warum bin ich nicht mein Bruder?" (# 12) fällt einem natürlich Zufall von Martin Auer ein: "Wenn statt mir jemand anderer/ auf die Welt gekommen wär'" oder das berühmte "Ein Schnurps grübelt", das Michael Ende schon in der ersten Auflage seines Schurpsenbuchsvon 1969 veröffentlicht hat: "Also, es war einmal eine Zeit, /da war ich noch gar nicht da.-". Allerdings führt Endedas Thema ganz anders weiter: "Und einmal, das sagte der Vater heut, / ist jeder Mensch nicht mehr hier. "Allzu häufig, und das ist durchaus symptomatisch für die gegenwärtige Kinderlyrik, speist sie Kinder mit einem Joke ab, weil Kinder es vermeintlich lustig mögen.

 

Wie weit die Übersetzung aus dem Zwang zu neuen Reimen und neuer Zeilenbildung vom Original abweichen musste oder gar inhaltliche Eingriffe in Kauf nehmen musste, ist nicht nachzuvollziehen. Sie liest sich jedenfallsweitgehend angenehm, vor allem, weil nurwenige Gedichte durchgängig gereimt sind (# 13, # 27) .Genau genommen sehen wir Gedichte, Kurzzeilen also, hören aber Prosa; heute durchaus nicht ungewöhnlich. Etwas aufgesteift zuweilen: "aber dauern Stunden immer gleichermaßen lang?" (# 19) oder "Vorbeie Zeit verschwindet" (# 26). Gewollt salopp andererseits: "Los, mach hin!" (# 11) oder "das macht mich platt" (# 13).

 

Eine besondere Herausforderung stellt das Thema an die Illustration, selbst wenn sie die bildlichen Übertragungen des Textes zur Grundlage nimmt. Aber was soll sie mit den "Wurmtagen" anfangen, deren Existenz nur dem Reim auf "Sturmtage" geschuldet sind? Was haben die Schafe in Strichmännchenmanier mit der Frage zu tun "Warum bin ich nicht mein Bruder? (# 12), was der eine, der Tierbändiger, von zwölf Berufen im # 15, was die wunderschönen, farbenfrohen Insekten mit der Frage, wie groß die Erde ist (# 9)? Überzeugend, weil der Text kommentiert, veranschaulicht wird, ist der # 8. Völlig anders, wieder auchim Stil der ständig wechselnden Techniken und geradezu unpassend die beiden Fratzen als Illustration zu dem bedrückenden Text über die Gewalt an Menschen "Wie schlägt man die Zeit tot? (# 24). Offenkundig ist der Zusammenhang zwischen Text und Bild verfehlt.

 

2/20 ajum

 

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